Gott erfahren – (wie) geht das eigentlich?

Aktuelles on 15 May , 2015
Prof. Armin Kreiner, kath. Fundamentaltheologe in München

Prof. Armin Kreiner

Wenn jemand von religiöser Erfahrung oder gar einer Gotteserfahrung spricht, dann stellen sich zwei Fragen:
1. Was ist genauer darunter zu verstehen/wie ist sie überhaupt möglich? Und
2. wie verlässlich sind solche Erfahrungen? Lassen sich solche Erfahrungen durch Manipulation unseres Gehirnes nicht auch erzeugen?

Diesen Fragen methodisch auf den Grund zu gehen und sich dabei weder von allzu frommen Geheimniskrämern („glauben heißt nicht wissen“), noch von naiven Wissensfanatikern („ich glaub nur, was ich sehe“) ausbremsen lassen, dazu ermutigte der Münchner Fundamentaltheologe Prof. Dr. Armin Kreiner. Etwa 30 Mitglieder und Gäste waren zur Abendveranstaltung des dkv am 19. Mai 2015 nach München-Haidhausen gekommen.

Mit einem Einblick in die „Prozesstheologie“ hat Kreiner einen bedenkenswerten Neuansatz der Metaphysik ins Spiel gebracht, der sich mit der jüdisch-christlichen Glaubenstradition zwar nicht komplett deckt, aber doch wohl eine große Schnittmenge (z. B. die Existenz Gottes; die Liebe Gottes; die Freiheit des Menschen …) aufzeigt, die zum weiteren Nachdenken und zum konstruktiven Dialog motiviert. Immerhin scheinen die Prozesstheologen auch eine vernünftige Antwort auf die jahrtausendealte Theodizeefrage zu ermöglichen …

Für die Prozesstheologen (vgl. David R. Griffin, Prozess-Theologie, Göttingen 1979 ) wurde die Welt nicht aus dem Nichts geschaffen (creatio ex nihilo), sondern ist ein offener, sich ständig fortsetzender Prozess der Entstehung von Neuem (creatio continua). Dies gelte auch für das Bewusstsein des Menschen, das immer schon in der Materie angelegt gewesen sei. Gott wird nicht als der allmächtige Schöpfergott wahrgenommen, der damit auch letztverantwortlich wäre für alles Leid und Unheil, sondern als liebender Urgrund, der – wie ein guter Dirigent – mit unendlicher Geduld (in einem ewigen Prozess) darum wirbt, die Welt besser, harmonischer, komplexer und wertvoller werden zu lassen.

Auch wenn die letzten Jahrzehnte der Philosophie- und Theologiegeschichte eine gesunde Skepsis gegenüber (alten und neuen) ontologisch-metaphysischen Konstruktionen entwickelt haben, sollten sich die Verantwortlichen in Religionspädagogik und Seelsorge in einer von Naturwissenschaft und Technik geprägten Gesellschaft derartigen Fragen nicht entziehen. Das wurde nicht zuletzt auch in der lebhaften Diskussion mit dem Referenten deutlich.